50. Deutsche Meisterschaften im Rettungsschwimmen, Hannover 2023

Es heißt an der Spitze wird die Luft dünn. Sieg und Niederlage können dann ganz eng beieinander liegen und Freude, Enttäuschung gleichermaßen folgen. Für unsere Magdalena hatte sich das schon ein wenig angedeutet. Vor zwei Wochen noch in Topform und voller Zuversicht, viertplatzierte in der Qualifikation für die Deutschen Meisterschaften, und dann, am Montag der entscheidenden Woche fiebrig und bettlägerig. Würde das noch reichen, um freitags die erträumte Medaille zu erlangen?

Hoffen und bangen helfen nicht. Ja, die anderen haben die Qualifikation auf der 25 m Bahn im Hallenbad geschwommen. Bayern war auf der 50 m Bahn im Freibad Dillingen. Das sollte ein paar Zehntelsekunden ausmachen. Aber nach den Sommerferien beginnt eine neue Saison. Dillingen war im Juni und jetzt ist bald November. Da kann die ein oder andere Konkurrentin ganz schön zugelegt haben. Die Altersklasse 13/14 ist in dieser Hinsicht volatil.

Die Probe auf das Exempel ist der erste Start: 100 m Hindernisschwimmen, Lauf 23, der stärkste Lauf. Der Stadionsprecher bespricht die drei Favoritinnen, Magdalena wartet still am Rand auf Bahn 8. Und das Rennen geht über den Flügel. Katharina aus Völklingen im Saarland auf Bahn 6 gewinnt und Magdalena wird 2., mit einer neuen persönlichen Bestzeit von 1:11,22, über 2 Sekunden besser als bisher. Die Form ist bewiesen und eine glückliche Magdalena lehnt lächelnd auf dem Rand des Aufwärmbeckens.

Lauf 49, zweiter Streich: 50 m Retten einer Puppe. Die Puppe liegt bei 25 m in über 2 m Tiefe, muss aufgetaucht und ins Ziel gebracht werden. Der Stadionsprecher kennt jetzt auch Magdalena. Start, 25 m sind wenig, um das Feld zu differenzieren und alle 8 Mädchen tauchen fast gleichauf ab, Puppe hoch und Schlussspurt. Die Anschläge im Ziel liegen binnen drei Sekunden und erscheinen auf der großen Projektionswand, 43,58 Sekunden für Magdalena. Zwei weitere Sekunden und der Computer hat die Ergebnisse sortiert. Magdalena ist 6. von acht. Eine enttäuschte Schwimmerin mag erst gar nicht mehr ausschwimmen. Wie konnte ein solches Versagen passieren? Alle Hoffnung auf eine Medaille ist verloren.

Das Versagen ist in Ruhe betrachtet eine neue Bestzeit, fast eine Sekunde schneller als bisher. Aber die anderen haben sich noch mehr verbessert und Magdalena ist immer noch dritte von 24 Schwimmerinnen aus ganz Deutschland. Das letzte Rennen wird alles entscheiden.

Lauf 79, 50 m Retten mit Flossen. Gleiches Szenario mit Puppe in der Mitte, nur noch schneller. Etwa 30 Sekunden entscheiden alles. Zudem droht Gefahr aus den ersten beiden Läufen, in denen jeweils eine Schwimmerin ausgebrochen ist und in weniger als 30 Sekunden ihre Puppe ins Ziel gebracht hat. Das bedeutet zusätzliche Konkurrenz auf den Medaillenrängen. Entsprechend der knappen Ausgangslage nennt der Sprecher diesmal zunächst die ersten vier Favoritinnen. Nach dem Startsprung rollt die Kugel im Verborgenen, denn alle acht Starterinnen bleiben unter Wasser und greifen bei 25 m en passant ihre Puppe vom Boden, bevor sie bei spätestens 30 m wieder auftauchen müssen, und erst jetzt beginnt der sichtbare Teil des Rennens, bei dem nochmal alle Alles geben und die Zuschauer den Atem anhalten. Magdalena wird hier mit 30,6 Sekunden 4. In ihrem Lauf und insgesamt 5. und ist in Tränen aufgelöst. Der Versuch sich in diesem Lauf zu verbessern ist gescheitert: aus mit der Medaille? Die Mühe von Monaten scheint vergeblich und das Gefühl der Enttäuschung überwältigend. Die neue Bestzeit ist kein Trost: unter 30 hätte es schon wenigstens sein müssen.

Die nüchterne Auswertung zeigt, dass diese Disziplin wie eine Bombe in die Liste der Platzierungen eingeschlagen ist: die 2. Ist plötzlich 9., die 4. wird 10. und die 12 wird 2.: die spezialisierten Flossenschwimmerinnen, die in den anderen Disziplinen eher schwach sind, haben hier ihre Chance genutzt. Rasch wird klar, dass bevor die Zeiten in Punkte umgerechnet sind, alles offenbleibt. Beim Rettungsschwimmen wird die Zeit in jedem Wettkampf in eine auf 1.000 normierte Punktzahl umgerechnet. Eine Schwimmerin könnte also maximal 3.000 Punkte erreichen, wenn sie in allen drei Disziplinen den aktuellen deutschen Rekord schwimmt. Erst nach wenigen Minuten erscheint die Umrechnung: Magdalenas Zeit hat in diesen Auf- und Abschwüngen ausgereicht, um den 3. Platz knapp zu behaupten, mit 2 Punkten Vorsprung bei einer Gesamtpunktzahl von 2631,94. Der Wirrwarr der Gefühle bleibt dennoch turbulent. Es dauert eine Weile, bis die Realität in Form von Gratulationen aus der virtuellen Welt einsickert, und damit kommt auch die Freude zurück: die erste deutsche Medaille. Der Kampf, die Mühe, das Training hat sich gelohnt und morgen wird es mit der Mannschaft eine weitere Chance geben. Zudem erscheint Katharina, die souveräne Siegerin des Rennens, stellt sich vor und gratuliert: nächstes Jahr sei man dann gemeinsam im Bundeskader.

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Erstellt am: 
31.10.2023